Mit einem aufgeregten „Manda kemmt‘s, da Motor is do!“ kam der Sepp bei der Tür des Wohnhauses im Bächental herein. Seine Brüder Martin jun. und Ernst sprangen auf und stürmten mit ihm voller Vorfreude bei der Tür hinaus, um bei der Anlieferung ihrer neuesten Errungenschaft mit dabei zu sein. Der lang ersehnte Deutz Einzylinder Dieselmotor hatte den weiten Weg von Köln nach Achenkirch zum Fuße des Unterautals hinter sich, wo ihn die Albrecht Brüder, die gerade stürmisch vom Gröbner Joch gelaufen kamen, vollkommen außer Atem erwarteten.
Es war im Jahr 1939, als der schwere Motor von den Brüdern mit Hilfe zweier doppelt bespannten Pferdefuhrwerken über den schmalen Gehweg durchs 6 Kilometer lange Unterautal bis auf das Gröbner Joch Meter für Meter transportiert wurde. Oben angekommen, waren sie aber nicht am Ziel, die Albrechts hatten noch die letzten und steilsten 800m bergab bis zur Steinölbrennerei vor sich. Mit viel Schweiß wurde aber auch dieser Teil des Transportes durch den teils matschigen Untergrund über Stock und Stein geschafft. Nun konnte der Motor endlich an seinem Bestimmungsort, dem eigens dafür errichteten Maschinenhaus, welches gleichzeitig im oberen Geschoß Wohnräume für 4 Bergknappen bot, installiert werden.
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Modell: Deutz MIH 432
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Hubraum: 10,2 L
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Kolbendurchmesser: 190 mm
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Hub: 360 mm
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Leistung: 25 PS / 18,4 kW
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Nenndrehzahl: 480 U/min
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Nettogewicht: 1800 kg
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Dienstzeit: 1939 bis 1980
In der Zeit von 1936 bis 1953 wurden in Köln 1323 Stk. des Typs MIH 432 gebaut.
Es muss wohl ein aufregender Moment gewesen sein, als Ernst das Erste Zündpapier auf den Dorn steckte, es mit einem Streichholz entzündete und in der Brennkammer des Motors verriegelte, bevor er seinen Brüdern Sepp und Martin jun. das Startsignal, ein kurzes „Daumen hoch“ Zeichen mit der Hand, gab. Kurz darauf drehten die beiden die Pressluftflasche zum Starten des Motors auf. Die Schwungscheibe begann sich langsam zu drehen, bis ja, bis der Deutz Einzylinder Dieselmotor MIH-432 zum ersten Mal zündete und mit einer „mords“ Wucht die Schwungscheibe beschleunigte. „Jetz brauchn ma die Löcha nimma mit da Hond schlog‘n!“ dachten sich die Albrecht Brüder, die in diesem Moment sprachlos und voller Stolz auf den klopfenden Motor starrten.
In den folgenden Wochen wurden noch eine Flachriemen-Transmission, ein Kompressor und ein Windkessel eingebaut. Ab jetzt wurden Pressluftbohrgeräte zum Bohren der Sprenglöcher im Stollen eingesetzt, welche durch eine fast hundert Meter lange Pressluftleitung vom Maschinenhaus aus versorgt wurden. Später wurde ein kleiner Generator zur Stromerzeugung mit auf die Transmission gehängt, was den Steinölbrennern nun auch das Betreiben elektrischer Geräte ermöglichte. Bei dem Brand von 1957, welcher die Steinölbrennerei und die umliegenden Gebäude, unter anderem auch das Maschinenhaus, vernichtete, blieb der Deutz Motor wie durch ein Wunder unbeschädigt. Lediglich die Lagerschalen mussten ausgewechselt werden.
Bis kurz vor seinem Tod im Jahre 2003 ließ es sich Martin jun. nicht nehmen, den immer noch im mittlerweile zur Werkstatt umfunktionierten Maschinenraum stehenden Motor 1x im Jahr für ein paar Minuten zu starten. „Es kennt‘s eich nit vorstell‘n wos des füa a Erleichterung für ins wor“ erzählte er oft bei den Startvorbereitungen.
Der geschichtsträchtige Motor wurde schließlich im Herbst 2008 vorsichtig demontiert und fand mitten im Tiroler Steinöl Vitalberg seinen vermutlich letzten Bestimmungsort. Hier kann er heute von den vielen Besuchern bestaunt werden. Er ist nach wie vor voll funktionstüchtig und Hermann, der Sohn Martin juniors, startet ihn seither, wie schon sein Vater jedes Jahr und lässt ihn für ein paar Minuten „klopfen“.