Man schreibt den 21. April 1917. Seit Tagen toben über Pertisau und dem Achensee Schneestürme, doch heute herrscht klirrende Kälte, die einem fast den Atem raubt. Die vier Knappen, die sich in dem winzigen Bergwerk am Seeberg, das Martin Albrecht sen. seit nunmehr 15 Jahren betreibt, trotz aller Anstrengung wieder nur wenige Zentimeter mit Schlägel und Brecheisen in den spärlichen Ölschieferflöz des Mariastollens vorarbeiten konnten, machen Feierabend und streben über die steilen Stiegen und Leitern dem Stollenausgang zu. Sie waten durch den hüfthohen Schnee zu ihrer Hütte, um sich ein wenig aufzuwärmen und mit ein paar Schöpfern heißer Brennsuppe zu stärken.
Noch während die Vier das Tischgebet murmeln, erfüllt plötzlich ein urgewaltiges Brausen die Luft, die Fensterscheiben zerspringen, der Boden erzittert wie bei einem schweren Erdbeben und auf einmal ist es am helllichten Tag stockfinstere Nacht. Als sich die Bergleute aufrappeln und ins Freie treten, wird ihnen bewusst: Eine riesige Staublawine ist vom Berg herabgedonnert! Die Heilige Barbara musste aber dafür gesorgt haben, dass sich die Schneemassen knapp oberhalb des Bretterverschlages geteilt und so die Bergleute vor dem sicheren Tod verschont haben.

Doch hat die „Lahn“ die Aufbereitungsanlage, samt den wuchtigen Kesseln zum „Sulfonieren“, Destillieren und Verdampfen, zum See hinuntergeblasen, in dessen Fluten, nachdem das schwere Gerät den Eispanzer durchbrochen hatte, alles versank. Nur wenige Habseligkeiten, wie „Holzfassln“ und Glasballons, welche der „boarische“ Wind über das glatte Eis vor sich hertrieb, konnten Martin Albrecht sen. und seine Bergleute draußen beim „Seespitz“, der heutigen Schiffsanlegestelle, retten. (PS.: Eine zweite Staublawine vernichtete 1984 im Bächental das Wohngebäude der Knappen, das Gerätelager im Steinbruch, das Maschinenhaus und die Werkstätte).
Martin Albrecht sen. war im Jahre 1900 von Zirl nach Pertisau übersiedelt und hatte mit seiner Frau Maria beim Oberhaus, das dem Herzog von Coburg gehörte, Quartier bezogen. Da er mit dem Steinölbetrieb allein die immer größer werdende Familie nicht mehr ernähren konnte, kaufte er 1920 den Gasthof „Pertisauerhof“. Von nun an hatten er und seine Familie (seine Frau, die Söhne Ernst, Hans, Martin jun., Sepp, Hermann und Tochter Maria) endlich ein Zuhause.